So schnell kann’s also gehen. Da saß ich plötzlich und
unverhofft in einer Wahlveranstaltung der Partei DIE LINKE. Wohin einen die Neugierde nicht alles treibt. Aber ich liebe Informationen aus erster Hand, auch wenn sie manchmal ein starkes Sitzfleisch erfordern.
Der Redner hatte
Talent. In guter kommunistischer Manier hielt er über geschlagene drei Stunden eine
Kampfrede, die ihresgleichen sucht. Wortgewandt und vor allem mit teils
elegantem, teils rüdem Wortwitz schaffte er es, die etwa 3.500 Gäste bei Laune
zu halten. Im ersten Teil überwogen pointenstarke Überspitzungen, wie sie besonders erfolgreiche
Politiker zu platzieren wissen. Die Zuhörerschaft lachte viel und laut und
bedankte sich mit regelmäßigem Zwischenapplaus. Selbst wenn einem die politische Ausrichtung nicht passte, die Pointen saßen und der Unterhaltunsgwert war gegeben.
Im zweiten Teil setzte sich das
Gewitter der Vorwürfe gegen die anderen Parteien fort, reduziert allerdings um
den humorigen Teil und angereichert um jede Menge kleinerer sarkastischer Anmerkungen
und größerer Beleidigungen an die stumpf dauerklatschenden Sekundanten („Sie klatschen,
aber ein Großteil von Ihnen hat genau diese Leute bei der letzten Wahl gewählt und wird es wieder tun“).
Spaß machte es da schon lange nicht mehr, wilde „Fakten“(?), Verschwörungstheorien,
Pauschalisierungen vom Feinsten und billige populistische Schnelllösungen („Wenn
wir den Reichen über zehn Jahre verteilt fünfzig Prozent abnehmen, haben die
hinterher immer noch ganz viel, aber wir sind nachher alle schuldenfrei“) gaben
sich die Hand. Jedoch das Publikum wusste, was es seinem intellektuellen Großmeister
schuldete, und applaudierte fleißig durch, echte Anhänger eben. Aber die gibt’s
nun wirklich in jeder Partei, da darf man sich nicht beschweren, wenn man sich auf
einer PDS-Show befindet.
Was mich wirklich beeindruckte, war der rhetorische Coup des
Gastgebers, in drei Stunden Redezeit genau EIN einziges Mal den Parteinamen „DIE
LINKE“ in den Mund zu nehmen – grandioser Kunstgriff, aufrichtige Gratulation! So konnte
man fast meinen, in einer Kabarettveranstaltung, statt auf einer Parteitagsrede
gewesen zu sein. Auch die Tatsache, dass die Zuhörer knapp 20-30 EUR Eintritt für
die Rede im ausverkauften Tempodrom gezahlt hatten, unterstützte diesen
Eindruck nachhaltig. Das sollen CDU, SPD & Co erstmal nachmachen!
Andererseits: Politisches Kabarett ist idealerweise
ein kritischer Finger in den Wunden der Regierung oder auch der Opposition, nicht jedoch
primitive Propaganda für eine bestimmte Partei, siehe z.B. die hervorragende „Heute
Show“ im ZDF.
Kurz: Es war eine Erfahrung, die zumindest ich nicht
wiederholen muss. Von daher werde ich vermutlich nicht noch einmal zu einer
Veranstaltung von Volker Pispers gehen.